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Seit Jahrzehnten wird in der Automatisierungsindustrie darüber diskutiert, wann der Zeitpunkt kommen wird, an dem die Technologien der Fertigungsautomatisierung auch in der Prozessautomatisierung etabliert sein werden. Durch die jüngste Übernahme von Invensys durch Schneider Electric wurde diese Diskussion erneut angefacht. Fest steht: Es werden immer mehr Automatisierungskonzepte, die in der Fertigungsautomatisierung zum Einsatz kommen, auch in der Prozessautomatisierung übernommen. Allerdings bestehen zwischen den beiden Bereichen immer noch große Unterschiede in den Details, vor allem bei den Aspekten Offenheit und Sicherheit. Klaus-Peter Lindners Zwischenruf: „Wann kommt eine gemeinsame Technologie für alle Branchen?“ Offenheit ist dabei wohl der grundlegendste Unterschied zwischen den beiden Bereichen. Das Konzept der Offenheit wird in der Fertigungsautomatisierung von Systemen bis hin zur Integration von Sensoren und Aktoren im Feld nahtlos umgesetzt. In der Prozessindustrie wird die Offenheit lediglich als eine Möglichkeit betrachtet, Feldmessgeräte an unterschiedliche Systeme anzubinden. In der Prozessautomatisierung beschränkt sich das Konzept der Offenheit also auf die Geräteebene, um die erforderliche Sicherheit und Zuverlässigkeit der Anlage gewährleisten zu können. Auf den ersten Blick scheint die Bedeutung von Sicherheit und Zuverlässigkeit in beiden Bereichen gleichermaßen groß zu sein. In der Fertigungsautomatisierung können Gefahrenzonen durch Laserscanner oder Lichtgitter abgesichert werden, um ein Betreten oder Berühren durch Personen zu verhindern. Hier ist es entscheidend, die Verletzungsgefahr durch bewegliche oder rotierende Teile zu verringern. In der Prozessautomatisierung sind unsichere Bereiche meist schädlich für die Gesundheit und die Umwelt. Sie stellen eine potentielle Gefahr für Hunderte oder sogar Tausende von Menschen dar und können nicht durch einfache Schutzmaßnahmen sicher gemacht werden. Daher gelten in der Prozessautomatisierung strenge Anforderungen an die Geräte, die in solchen Bereichen eingesetzt werden. Weitere Herausforderungen in der Prozessautomation stellen die Anlagen dar, die im Freien oder in rauen Umgebungen eingesetzt werden oder die sich über große Flächen erstrecken. Kann man mit einem gemeinsamen Kommunikationssystem allen Anforderungen gerecht werden? Mit PROFIBUS haben wir hierfür den Grundstein gelegt. PROFIBUS DP ist und bleibt das weltweit erfolgreichste Kommunikationsprotokoll für den Einsatz sowohl in der Fertigungsautomatisierung als auch in der Prozessautomatisierung. PROFIBUS PA ist eine etablierte und bewährte Lösung, die speziell für die Anforderungen der Prozessautomatisierung entwickelt wurde. PROFINET ist bereits in der Fertigungsautomatisierung etabliert und findet aber auch vermehrt Anwendung als Backbone in der Prozessautomatisierung. Einschränkungen gibt es durch Aspekte der Eigensicherheit, Energieübertragung über die Leitung oder bei sehr großen Distanzen. Der große Vorteil von PROFINET ist, dass mit der Verwendung von Proxies nahezu alle in Klaus-Peter Lindner, Mitglied im Vorstand der PROFIBUS Nutzerorganisation e.V. der Prozessautomatisierung verwendeten Kommunikationsprotokolle integriert werden können. Somit sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte von PROFINET in der Prozessautomatisierung gegeben. Jede Branche wird weiterhin ihre spezifischen Anforderungen stellen. Der große Vorteil von PROFINET ist jedoch, dass diese Technologie mit solchen Sonderwünschen umgehen kann. Anwender müssen also nicht befürchten, dass die Fertigungsautomatisierung bald die Prozessautomatisierung vereinnahmen wird. Im Gegenteil – beide Branchen werden weiterhin voneinander profitieren. So ist beispielsweise die Standardisierung in der Prozessautomation fortgeschrittener als in der Fertigungsautomatisierung, auf der anderen Seite kommen bei der Fertigungsautomatisierung Innovationen oft schneller zum Einsatz. Dies ist nicht zuletzt dem Entscheidungsprozess geschuldet: Während die Anwender der Prozessautomatisierung zwischen 4.20 mA und PROFIBUS PA wählen, ist in der Fertigungsautomatisierung eher die Frage, welches der Ethernet-basierten Systeme auf dem Markt zum Einsatz kommen soll. Hier wird die Zukunft zeigen, welche Aspekte beider Technologien in den jeweiligen Einsatzgebieten zum Tragen kommen. 18 PROFIBUS & PROFINET JOURNAL | AUSGABE 2/2013


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